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Interview

Bierstadter Pfarrer Andreas Friede-Majewski geht in den Ruhestand

Copyright: Andrea WagenknechtPfarrer Andreas Friede-Majewski

Schon sein Vikariat hat Pfarrer Andreas Friede-Majewski in der Kirchengemeinde Bierstadt absolviert. Helmut Marx war damals sein Lehrpfarrer. Jahre später wurde er sein Nachfolger an der Seite von Pfarrerin Christa Böttcher. Dazwischen war Friede-Majewski Schulpfarrer und Gefängnisseelsorger. Jetzt geht er in den Ruhestand. Nachfolger wird Philip Messner, derzeit Pfarrer in der südhessischen Region Starkenburg.

© Friede-MajewskiDie berühmte "Ikone der Freundschaft", hängt als Kopie unter anderem in Taizé: Jesus umarmt Menas freundschaftlich.


Sie waren 21 Jahre Gemeindepfarrer in Bierstadt und jetzt gehen Sie ohne großes Abschiedsfest. Wie sehr schmerzt das?

Das schmerzt schon, aber es ist nicht zu ändern: feiern, sich begegnen, sich nahe kommen - das geht nun mal derzeit alles nicht. In unsere Kirche passen unter den geltenden Vorschriften höchstens 30 Leute rein. Die Gemeinde plant, meinen Abschied nächstes Jahr nachzufeiern – ich bin gespannt.
So sehr Corona uns in der gemeindlichen Arbeit einschränkt – der Übergang in den Ruhestand fällt mir jetzt leichter, weil die letzten Monate einfach ruhiger waren als sonst. Ich empfinde es gerade als befreiend, jetzt nicht das Krippenspiel vorbereiten zu müssen oder zu planen, wie wir in Pandemiezeiten Weihnachtsgottesdienste organisieren.

Sie sind bereits aus dem Pfarrhaus ausgezogen, wohnen aber noch in Bierstadt. Oft ist das für den Nachfolger problematisch.
Ich möchte auf keinen Fall der mächtige Schattenpfarrer im Hintergrund sein. Ich weiß, dass das Disziplin erfordert. Ich werde nächstes Jahr noch die verschobenen Konfirmationen feiern und ein paar wenige – auch wegen Corona verschobene – Trauungen. Ansonsten halte ich mich raus, außer ich werde um Rat oder Hilfe gebeten. Wir wohnen seit Mitte der 80er-Jahre in Bierstadt. Wir sind hier verwurzelt und haben hier unseren Freundeskreis. Meine Frau und ich wollten nicht wegziehen.

Was werden Sie im Ruhestand vermissen?
Das Feiern der Gottesdienste und die Gemeinschaft. Man ist als Gemeindepfarrer ja ständig mit Menschen in Kontakt und muss in unterschiedlichen Zusammenhängen viel kommunizieren. Es wird eine große Umstellung sein, künftig nicht mehr in so viele Gemeinschaften eingebettet zu sein. Aber es ist auch wohltuend, jetzt Verantwortung abgeben zu dürfen.

Zwei Jahrzehnte haben Sie die Gemeinde geprägt und umgekehrt. An was denken Sie, wenn Sie zurückblicken?
Während meines Vikariats in den 80er-Jahren war die Gemeinde politisch sehr aktiv – es ging um die Startbahn West, um Abrüstung und Umweltfragen. Das fand ich damals klasse. Als ich 1999 dann als Gemeindepfarrer hier in Bierstadt anfing, hatte sich das schon gewandelt, weil sich die gesamte politische Situation geändert hatte: Die Grünen waren in Regierungsverantwortung, die DDR war schon zehn Jahre Geschichte – ich bin nicht der politische Pfarrer geworden, den sich manch einer damals vielleicht gewünscht hätte.

Sondern?
Ich habe als Gefängnisseelsorger gelernt, wie wichtig es ist, eine eigene Spiritualität zu entwickeln. Die Häftlinge haben das sofort gespürt, wenn der Glaube zu abgehoben war, die hätten dann im Gottesdienst angefangen, Karten zu spielen. Predigten sind keine theologischen Vorträge, sondern man muss spüren, dass der Glaube den Menschen berührt und dass er was mit dem Alltag zu tun hat.
Diese Erfahrung habe ich nach Bierstadt mitgenommen und daraus ist mit der Gemeinde zusammen dann viel entstanden und viel ausprobiert worden: Taizé-Gottesdienste, thematische Gottesdienste mit Theater, Gospel- und Popchorprojekte, Abendgebete, Pilgerwanderungen, meditative Angebote, Gottesdienste mit Gebet zur Heilung, Hauskreise. Natürlich gab es auch jahrelang den großen Familiengottesdienst zur Kerb mit Band und Moderation und das Krippenspiel in Mundart – das ist Kult in Bierstadt. Die Gemeinde habe ich in all den Jahren immer als sehr selbstbewusst wahrgenommen. Den Vorsitz des Kirchenvorstandes hatte fast immer ein Ehrenamtlicher oder eine Ehrenamtliche inne. Wir waren ein Team auf Augenhöhe.

Die sogenannte „Ikone der Freundschaft“ aus Taizé, auf der Jesus Menas freundschaftlich umarmt, bedeutet Ihnen persönlich viel. Warum?

Die Ikone ist aus dem 5. Jahrhundert, das Original hängt heute im Louvre. Dieses Bild erzählt sehr viel über meinen eigenen geistlichen Weg. Das Verhältnis zu Jesus hat sich immer wieder neu gewandelt, aber die Erfahrung, ihn in allem an meiner Seite zu behalten, wie es dieser alte Maler ausdrückt, ist geblieben.

Hohe Kirchenaustrittszahlen, sinkende Kirchensteuereinnahmen. Die Evangelische Kirche muss über ihre Zukunft nachdenken. Wie wird es weitergehen?

Wie sich die Struktur der Kirche wandeln wird, ist weniger entscheidend. Wichtiger finde ich: Die Kirche muss den Menschen Räume eröffnen, wo sie Gotteserfahrungen machen können, wo sie sich getragen wissen in ihrer Not und aufgehoben fühlen mit ihren Ängsten. Und es muss Menschen geben, die überzeugt glauben und vermitteln können, dass der Glaube dem Leben mehr Tiefe gibt.

Interview: Andrea Wagenknecht


Andreas Friede-Majewski wird in einem Online-Gottesdienst von Propst Oliver Albrecht in den Ruhestand verabschiedet. Der Gottesdienst steht ab Sonntag, 30. August, 14 Uhr, auf dem Youtube-Kanal der Kirchengemeinde und unter www.bierstadt-evangelisch.de online.



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