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Wahlpodium

Armutsrisiko: alleinerziehend! - Sozialpolitische Gesprächsrunde

© Annette KrumpholzSozialpolitische Gesprächsrunde im Roncalli-Haus: das Moderatorenteam Nicole Nestler (Evangelisches Dekanat Wiesbaden), Dr. Thomas Wagner (KARM) und die Politiker*innen Lisa Gnadl (SPD), Marcus Bocklet (Bündnis 90/Die Grünen), Christiane Böhm (Die Linke) und Yanki Pürsün (FDP).

Im Monat 1194 Euro: wer dieses Einkommen oder weniger hat und alleine lebt, der gilt in Hessen als arm. Miete, Energie, Lebensmittel und die rasant steigenden Preise machen ein Auskommen mit diesem Betrag nahezu unmöglich. Das machte am Montagabend Prof. Ernst-Ulrich Huster im Roncalli-Haus deutlich. Katholische und Evangelische Kirche hatten ihn als Impulsgeber zum dritten Wahlpodium eingeladen

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Unter dem Titel „Wo bleibt der Zusammenhalt?“ haben unterscheidliche Politiker*innen demokratischer Parteien an drei Terminen zentrale Fragen der hessischen Landespolitik diskutiert: Wohnen, Mobilität und nun, beim letzten Termin der Reihe, Armut.

EINORNUNG DES EXPERTEN

Der Politologe Huster kennt sich beruflich bestens mit Armut und den damit verbundenen Risiken aus, denn er hat an den drei bisher vorgelegten hessischen Sozialberichten mitgewirkt. Der jüngste aus dem Jahr 2022 nimmt die Zahlen der beiden vorherigen Jahre in den Blick. Das heißt, die steigenden Lebenshaltungskosten, die der russische Angriffskrieg in der Ukraine auch hierzulande verursacht, sind noch gar nicht berücksichtigt.

Die Not dürfte in der Realität also noch weitaus größer sein und viele unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger in Hessen kratzen an der sogenannten Armutsrisikoschwelle. Die Faktoren, die dazu führen, sind vielschichtig. Insbesondere Alleinerziehende, Arbeitssuchende und junge Hess*innen unter 25 Jahren sind von Armut bedroht.

Auch Erwerbsarbeit schützt nicht vor Armut, denn etwa acht bis zehn Prozent der arbeitenden Menschen droht der Absturz in die Bedürftigkeit. Zudem ist es unendlich kompliziert und überfordernd, alle notwendigen Anträge auf Förderung im Blick zu haben und diese korrekt auszufüllen und zu bearbeiten, so Huster. Seine Hoffnung sei, dass die kürzlich beschlossene Kindergrundsicherung her Abhilfe schaffe.

„Bildung ist der beste Schutz gegen Armut“, betonte der Experte und appellierte an die Politik, alle Maßnahmen zur Armutsbekämpfung daran auszurichten, was man erreichen wolle und wie konkret man dorthin komme.

DIE POSITIONEN

Die soziale Schieflage und die zunehmende Polarisierung der Einkommen insbesondere in Hessen sind ein Thema, das immensen gesellschaftlichen Sprengstoff birgt. In einer dennoch äußerst sachlichen, nahezu emotionslosen Debatte legten die sozialpolitischen Sprecher*innen der demokratischen Parteien im Landtag ihre Punkte und Visionen zur Armutsbekämpfung dar.

Marcus Bocklet (Bündnis 90/Die Grünen) betonte, in der schwarz-grünen Koalition habe man bereits Vieles zur Verbesserung der Lebenssituation gerade von Kindern auf den Weg gebracht. Die Grenzen der Maßnahmen lägen jedoch an der finanziellen Ausstattung.

Kostenloses KiTa- und Schulessen und weitere Maßnahmen seien sicher sinnvoll, aber es gebe etliche unterschiedliche Projekte, die jeweils gleich wichtig seien. Wenn man Geld an einer Stelle ausgebe, so fehle dies an anderer Stelle. Das müsse man abwägen und verantwortlich damit umgehen. „Zeigen Sie mir die Gelddruckmaschine, dann machen wir alles“, brachte er das Dilemma auf den Punkt.

Für Lisa Gnadl (SPD) ist die Bildungspolitik der Schlüssel zur Lösung der Probleme. Die Armutsentwicklung in Hessen sei schon vor der Pandemie deutlich gewesen. Man müsse nun genau hinschauen und analysieren, um wen es beim Armutsrisiko gehe, denn es seien sehr unterschiedliche Personengruppen betroffen. Zudem plädierte sie dafür, ressortübergreifend die Themen bezahlbaren Wohnraum, gerechte Entlohnung und gebührenfreie Bildung anzugehen, denn nur so könne man für gleichwertige Lebensverhältnisse in Hessen sorgen.

Christiane Böhm (Die Linke) stimmte mit dem Vertreter von Bündnis 90/Die Grünen überein, dass „die Finanzierung das Kardinalsproblem“ sei. Sie plädierte dafür, hohe Einkommen höher zu besteuern. Die staatlichen Einnahmen müssten erhöht werden, „denn so, wie das gesellschaftliche System derzeit finanziert wird, läuft es gegen die Wand“, bekräftigte Böhm. Die Kommunen müssten die Grundsteuern erhöhen, um die klammen Finanzen zu stärken, würden so zu „Buh-Männern“ und müssten ausbaden, was an anderer Stelle versäumt werde.

Yanki Pürsün (FDP) schlug eine Wirksamkeitsprüfung aller staatlichen Maßnahmen vor, denn um Menschen wirksam aus der Armut zu führen, müsse man wissen, was wirklich weiterhilft. Wer sich einsetze und beispielsweise einen Ferienjob annehme, der dürfe dafür nicht bestraft werden.

Daher dürften Empfänger*innen von staatlichen Transferleistungen (Sozialhilfe, Arbeitslosengeld, usw.) nun mehr hinzu verdienen, ohne, dass die Leistungen gekürzt würden. Die kostenlose Betreuung von Kindern sah er kritisch. Konkret bedeute dies, dass die Kommunen diese Betreuung wegen des Fachkräftemangels nicht anbieten können.

Auf die Frage, was die Parteien als erstes umsetzen werden im Kampf gegen Armut, wenn sie nach der Landtagswahl am 8. Oktober Regierungsverantwortung haben, lagen die Antworten der anwesenden Politiker*innen recht nah beieinander: bezahlbarer Wohnraum, kostenloses Schulessen und Bildung haben oberste Priorität. Daran werden die Wählerinnen und Wähler sie messen können.

Moderiert wurde die Veranstaltung von Nicole Nestler (Evangelisches Dekanat Wiesbaden) und Dr. Thomas Wagner (Katholische Akademie Rabanus Maurus).

An der Veranstaltungsreihe waren beteiligt:
Katholische Erwachsenenbildung Frankfurt (KEB)
Katholische Akademie Rabanus Maurus (KARM)
Katholische Kirche Wiesbaden
Evangelisches Dekanat Wiesbaden

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