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Vortrag

„Kirche muss da sein, wo Hoffnung gebraucht wird“

© Bernd-Christoph Matern /fundus.de

Im Rahmen der ökumenischen Bildungsreihe „Schutzraum und Neuland“ loten evangelische und katholische Erwachsenenbildung in Wiesbaden aus, was Corona mit uns macht – mit den widerstreitenden Bedürfnissen nach Schutz durch Distanz und dem Wunsch nach Nähe. Der Online-Vortrag der Schweizer Theologin Sabrina Müller war ein „theologischer Höhepunkt der Reihe“:

© Sabrina MüllerDr. Sabrina Müller


Müller lehrt an der Universität Zürich, nachdem sie zunächst Gemeindepfarrerin war. Qualitative Religionsforschung sei zu ihrem Steckenpferd geworden, sagte sie, auch die Digitalisierung im Kontext der Kirche ist eines der Themen, mit denen sie sich beschäftigt.

„Kirche aus dem Schutzraum holen“ war das Thema ihres Referats. 2012 gab es eine Studie zur Zukunft der Kirchen in der Schweiz. Das Resultat: „Kleiner-Ärmer-Älter“ fasst in drei Schlagworten Trends zusammen. Viele Tipps wie „ihr müsst einfach modernere Gottesdienste anbieten“, griffen zu kurz, meint Müller. Die Individualisierung und Pluralität sowie auch die allgemeine Tendenz zur Säkularisierung ließen das Ganze unüberschaubar werden. Und auch die Digitalisierung werde meist noch unterschätzt – nicht nur beim Streaming von Gottesdiensten, sondern „in den ganzen Strukturen des Menschseins“, sagte die Referentin.
Institutionalisierte Religion, traditionelle Autoritäten und Hierarchien hingegen verlören an Bedeutung gegenüber individualisierter Spiritualität oder religiösen Erfahrungen. Neue Gemeinschaftsformen und „selbst konstruierte gelebte Religion“ seien die Herausforderungen der Zukunft.

Menschen heute sind institutionskritisch, konstruieren ihre Identitäten selbst, zeigen in unterschiedlichen sozialen Medien verschiedene „Identitäten“. Die Wahlfreiheit sei viel größer geworden – nicht nur beim Medienangebot oder bei Konsumgütern. Es gehe auch nicht mehr wie früher um „die Wahrheit“, sondern um individuelle Relevanz. Und auch die Kritik am Wissenschaftsglauben, Misstrauen bis hin zur Verschwörungsgläubigkeit nehmen zu. Wozu führt dies alles: Kirchenaustritte, Abbau, Finanznöte, Fusionen, Ausdünnung – und vielleicht auch zu übermäßigem Aktivismus der Akteure. Manche stärken nun erst recht den Traditionalismus, nehmen die Traditionen als Schutzräume. Und man hielte sich am Gottesdienst als zentralem Angebot fest: „Im Lockdown wurde fast alles eingestellt, aber Gottesdienste wurden gestreamt“, so Müller.

Andere suchen das genaue Gegenteil: Hier entstehe eine "liquide Kirche", eine reine Beteiligungskirche mit Aufgabe der Strukturen. Und es gibt den "Umbauversuch", nämlich Tradition und Innovation zusammenzudenken, quasi als "kirchliche Biodiversität". Das brauche Mut, könne aber sehr fruchtbar sein, meinte Müller. Die Kirche sei aber auch aufgerufen, sich selbst als Antwort auf das Evangelium fortlaufend umzugestalten.

Die Referentin zeigte anhand internationaler Beispiele etwa von Jugendkirchen, wie man auf Bedürfnisse von Menschen besser eingehen könne. Kirchenkultur und -bild, die Rolle der Pfarrpersonen, das Verständnis von Auftrag und Sendung müssten sich verändern, schloss sie: „Kirche muss da sein, wo Hoffnung gebraucht wird. Das macht sich nicht an einem Gebäude oder an einer Person fest, sondern kann situativ sein."
Es brauche Risikofreudigkeit, Leidenschaft, Fehlerfreundlichkeit und Wertschätzung für einen solchen Wandel. Ziel sei immer die Förderung der Kommunikation des Evangeliums, nicht die einseitige Verkündigung. Kirchlicher Umbau müsse auf das sinnsuchende Individuum ausgerichtet sein, offene Begegnungsorte und Netzwerkstrukturen anbieten. Und Räume für Veränderung schaffen: „Offen werden für ,neue theologie-produktive Hausbesetzer:innen‘.“

Mehr Veranstaltungen der Reihe „Schutzraum und Neuland“: Hier klicken!

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