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Kinder- und Jugendarmut

"Oft fehlen schon ein paar Euro für die Fahrkarte"

Copyright: Gabi ReiterGabi Reiter leitet das Kinder-Jugend- und Stadtteilzentrum (KiJuZ) in Biebrich.

Jedes fünfte Kind in Deutschland erlebt Armut oder lebt an der Armutsgrenze. Laut einer gerade veröffentlichten Analyse der Bertelsmann Stiftung sind das 2,8 Millionen Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren. Die Corona-Krise verschärft die Situation. Wir sprechen mit Menschen, die in Wiesbaden in Kitas, Schulen oder Jugend- und Kinderzentren arbeiten, über das Thema. Den Auftakt macht Gabi Reiter:

Grafik: Beate Schmitz

Das Kinder-Jugend- und Stadtteilzentrum (KJuZ) in Biebrich ist täglicher Anlaufpunkt für etwa 50 bis 60 Kinder und Jugendlichen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter helfen bei der Bewältigung von Alltagsproblemen, bieten Beratung und Hilfe für Kinder, Jugendliche und Eltern in Krisensituationen und fördern mit ihren Angeboten die Stärken von Mädchen und Jungen. Gabi Reiter leitet die Einrichtung seit 30 Jahren. Das Interview mit ihr zum Thema Kinder- und Jugendarmut im Wortlaut:

Woran erkennen Sie Kinder- und Jugendarmut in Ihrer täglichen Arbeit?
Wir erleben fehlende oder mangelnde Fürsorge der Eltern aber auch materielle Armut. Wenig Geld zu haben wird anhand der Kleidung sichtbar, aber etwa auch durch fehlende oder wenige Anreize in der Freizeitgestaltung.
Gerade bei Ausflügen, die wir anbieten, wo Kinder Fahrkarten mitbringen sollen, fallen Kinder hinten runter, weil kein Geld dafür vorhanden ist oder es anders verplant wurde. Wir sehen, dass Kinder zwar ausreichend ernährt werden. Mangelnde Fürsorge kann sich aber auch im Fehlen regelmäßiger Mahlzeiten ausdrücken. Zudem fehlt oftmals die Möglichkeit zur sozialen Teilhabe wie Kinobesuche, Mitgliedschaften im Verein, Stadterkundungen oder Museumsbesuche.


Welche Möglichkeiten haben Sie im KJuZ, um betroffene Familien, Kinder und Jugendliche zu unterstützen?
Wir haben eine aktive Kooperation mit der Initiative Lebensmittelrettung im Jugendbereich. Die Jugendlichen, die zu uns kommen und bei uns den Tag verbringen, haben mitunter weder gefrühstückt noch sinnvolles zu Mittag gegessen. Durch die Initiative der Lebensmittelrettung wird regelmäßig gekocht und manchmal auch an die Kids zum Mitnehmen verteilt.

Im Kinderzentrum gibt es einen Mittagstisch und Hausaufgabenbetreuung für angemeldete Grundschulkinder. Im „Laden Parkfeld“ wird zudem eine Hausaufgabenunterstützung angeboten. Das hilft enorm und wurde auch während des Lockdowns digital weitergeführt.
Unsere Freizeitangebote wie Ferienreisen, Seminare, Exkursionen und auch die Internationalen Kinder- wie auch Jugendbegegnungen sind kostenfrei bis günstig. So ermöglichen wir Kindern jenseits des Alltags Erfahrungen zu machen, die sie aus ihren Elternhäusern nicht kennen.

Wir unterstützen Eltern bei der Antragstellung zur Übernahme der Kosten. Es gibt aber immer wieder Kinder und auch Jugendliche, die noch nicht mal 5 Euro erhalten, um etwa an einer Übernachtung oder einem anderen Ausflug teilnehmen zu können. Oder es fehlen 50 Euro, wenn es um Ferienreisen geht - und diese können erst dann wieder bezahlt oder abbezahlt werden, wenn es „neues Geld“ gibt.


Welche konkrete Unterstützung oder Veränderung wünschen Sie sich, um den Herausforderungen von Kinder- und Jugendarmut besser begegnen zu können?

Vieles liegt unseres Erachtens an einem schwierigen Umgang mit Geld in den Familien durch fehlendes Planungsverhalten, keine Kontrollmechanismen, mangelnde Haushaltsführung. Aus unserer Sicht ist es wichtig, dort anzusetzen. Die Familien - vor allem die Eltern - müssen lernen und bestärkt werden, bewusster mit ihren Ressourcen umzugehen. Das würde auch den Kindern helfen.
Ein kostenfreier ÖPNV für entsprechende Familien oder kostenfreie Mitgliedschaften in Vereinen würden die Möglichkeiten der Freizeitgestaltung bedürftiger Familien und Kinder erweitern.


Wie Corona-Pandemie hat das Leben aller Familien auf eine harte Probe gestellt. Wie haben Sie sich im KJuZ auf diese besondere Situation eingestellt?

Wir haben sofort auf digitale Formate und Ansprache umgestellt und halten so den Kontakt mit Familien, Kindern und Jugendlichen. Gerade unsere sogenannten Stammbesucher*innen nutzen diese Angebote gut. Sobald es möglich wurde sich zu zweit zu treffen haben wir unser Programm „Habibi to go“ entwickelt. Dort können sich Kinder und Jugendliche einen Betreuer*in oder Sozialarbeiter*in aussuchen, mit der oder dem sie Eis essen oder Spazierengehen, Spielen oder Fahrradfahren möchten - natürlich alles mit Abstand, aber dafür mit viel Herz. Dieses Angebot wird gut angenommen.

 
Hintergrund:

Das KJuZ ist mitten in Biebrich. Träger der Einrichtung ist die Stadt Wiesbaden. Fast 32 Prozent der Kinder und Jugendlichen im Stadtteil Biebrich sind von Armut betroffen, die Arbeitslosigkeitsquote liegt mit fast 8 Prozent über dem Wiesbadener Durchschnitt.

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