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Interview

„Unsere Welt ist nicht Gott-Los“

© Lena Uphoff

Welche Rolle spielt der Glaube für die Menschen in der diesjährigen Advents- und Weihnachtszeit? Was kann Trost und Halt geben? Der evangelische Dekan Dr. Martin Mencke spricht im Interview über die Hoffnungsbotschaft von Weihnachten und wie die Kirchengemeinden mit der derzeitigen Situation umgehen:


Eine Advents- und Weihnachtszeit mit Konzerten, Glühwein und gemütlichem Beisammensein wird von der zweiten Corona-Infektionswelle überrollt. Welche Gefühle löst das in Ihnen aus?
Ambivalente Gefühle. In diese besondere Stimmung, die die Adventszeit mit sich bringt, mit allen Düften, dem Leben auf der Straße, den Adventskonzerten – da kommt man jetzt irgendwie nicht rein, zumindest nicht gemeinsam.
Aber wir erleben derzeit ein neues Gefühl für das, was Advent bedeutet: Diese Zeit, in der die ganze Vegetation abstirbt, die Natur sich zurückzieht, die kürzer werdenden Tage – das fühlt sich wie ein immer enger werdender Tunnel an. Und das spüren wir dieses Jahr ganz deutlich. Früher war das eben auch die Zeit des Verzichts und der Einkehr, wo man nur von seinen Vorräten leben konnte und alles knapper wurde.  Das ist eine sehr existentielle Erfahrung, die wir dieses Jahr neu machen. Der Wendepunkt ist für uns Christenmenschen dann an Weihnachten.

Im Hinblick auf die Corona-Pandemie wird Weihnachten wohl kein Wendepunkt sein.
Das ist richtig, aber als hoffnungslos empfinden wir Christinnen und Christen die Lage eben nicht. Die Hauptbotschaft von Weihnachten – „Fürchtet euch nicht“ – ist eine Hoffnungsbotschaft. Ich bin überzeugt davon, dass unsere Welt nicht Gott-Los ist, dass Gott die Welt nicht loslässt. Und das ist im Kern auch die Botschaft von Weihnachten.

Brauchen die Menschen in diesen Zeiten mehr Kirche?
So würde ich es nicht formulieren.  Aber wir nehmen in dieser Zeit sicherlich alle wahr, dass unsere gewohnten Sicherungssysteme nicht mehr verlässlich funktionieren. Das Vertrauen in unser Lebenssystem schwindet, und das erschüttert die Menschen zutiefst und macht Angst. Ein Glaube, der sich nicht auf sich selbst verlässt, sondern auf einen, der mich hält, der kann dazu beitragen, mit Unsicherheiten besser umzugehen. Ich würde nicht sagen, Menschen brauchen mehr Kirche, aber der Glaube ist eine Quelle, die Halt und Trost gibt, und die für alle offen ist.

Weihnachten ist dieses Jahr politischer als je zuvor: Seit Oktober sprechen Politiker*innen aller Couleur davon, wie wichtig es für die Menschen sei, Weihnachten zu feiern. Wie empfinden Sie das?  
Das hat mich irritiert. Für Christinnen und Christen kommt Weihnachten sowieso – egal ob wir im Lockdown sind oder nicht. Aber hinter der Chiffre Weihnachten verbirgt sich natürlich ein bestimmtes Gefühl, bestimmte familiäre Rituale –  ich denke, das wollten die Politiker retten.

Das gesamte Jahr war auch für die Pfarrerinnen und Pfarrer in ihrem Berufsalltag extrem anstrengend: Wie erleben Sie die Stimmung?
Die Stimmung ist überwiegend gut. Die allermeisten Kolleginnen und Kollegen stellen sich sehr tapfer und kreativ der gegenwärtigen Situation. Mit großer Resilienz machen sie engagiert ihren Dienst in den Gemeinden, im Gefängnis, in der Schule, in Altenheimen und Krankenhäusern, schreiben immer wieder neue Hygienekonzepte, planen um und sagen ab und gestalten mit Ehrenamtlichen neu. Ich habe großen Respekt davor, mit welchem Engagement und welcher Kreativität die Kolleginnen und Kollegen für die Menschen jetzt da sind - analog wie digital.

Welche der Einschränkung trifft Sie ganz persönlich am meisten in diesem Jahr?

Dass wir zum Schutz dieses Jahr ohne die ältere Generation Weihnachten feiern werden. Mir fehlt außerdem das gemeinsame Singen sehr, und mir fehlen auch die großen Weihnachtskonzerte.

Interview: Andrea Wagenknecht

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