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Interview

Unter Armut leidet die Kinderseele

© Andrea WagenknechtSchulsozialarbeiter Demir Zecovic

Die Riederbergschule ist nicht nur eine der größten Wiesbadener Grundschulen, sie zeichnet sich auch durch eine große gelebte Vielfalt aus. Schulsozialarbeiter Demir Zecovic arbeitet im Rahmen des städtischen Angebotes „Betreuende Grundschule“ täglich mit Kindern, die von Armut betroffen sind.


Welche Auswirkungen und Erscheinungsformen von Kinder- und Jugendarmut erleben Sie in Ihrer täglichen Arbeit in der Riederbergschule?
Die von Armut betroffenen Kinder teilen sich zu Hause häufig ein Zimmer mit mehreren Geschwistern – sie haben deswegen oft keine Privatsphäre und keinen Rückzugsort, um ihre Hausaufgaben in Ruhe zu erledigen. Wir erleben, dass diese Kinder manchmal keine Freunde zu sich einladen können, weil nicht genug Platz ist. Dies führt oft zu Missverständnissen: Die Kinder sagen den Freundinnen oder Freunden aus Scham nicht, warum sie sie nicht einladen können.
Einigen Kindern fehlt Schulmaterial, etwa Schere, Klebstoff oder Stifte. Oft haben die von Armut betroffenen Kinder kein Pausenbrot. In solchen Fällen führen wir Elterngespräche: Das fehlende Frühstück liegt oft auch an unzureichendem Bewusstsein in den Familien.
Aber auch die Leistungen, die die Eltern beantragen können, sind oft sehr kompliziert oder müssen mit mehreren Anträgen abgegeben werden. Es würde den Eltern leichter fallen, wenn alle Leistungen unter einen Antrag fallen.
Die prekären Lebensverhältnisse wirken sich seelisch auf die ganze Familie aus. Wir wissen, dass die Kinder darunter leiden. Kinder, die von Armut betroffen sind, haben schlechtere Bildungs- und Zukunftschancen, denn ihnen fehlt oft der Zugang zu Bildungs- und Kultureinrichtungen, der in anderen Familien üblich ist.



Welche Möglichkeiten haben Sie in der Betreuenden Grundschule, um betroffene Familien, Kinder und Jugendliche zu unterstützen?
Die Kosten für unsere Einrichtung sowie für das Mittagessen sind für Eltern, die SGB 2, SGB12, Wohngeld/Kinderzuschlag beziehen stark reduziert oder kostenfrei. Somit können die Kinder aus Armut belasteten Haushalten unsere Einrichtung besuchen. Wir unterstützen die Kinder bei ihren Hausaufgaben, bieten verschiedene Sportaktivitäten an oder besuchen Museen oder Kunstveranstaltungen. Ganz wichtig sind Elterngespräche. Zur Unterstützung vermitteln wir Eltern an Beratungsstellen und arbeiten eng mit dem Jugendamt zusammen.



Die Corona-Pandemie hat das Leben aller Familien auf eine harte Probe gestellt. Welche Auswirkungen oder auch Spätfolgen wird der wochenlange Lockdown Ihrer Ansicht nach auf die von Armut betroffenen Kinder und Jugendlichen haben?
Den betroffenen Kindern wurde durch den Lockdown das Recht auf Bildung stark beschnitten. Nicht alle Familien verfügen über die gleichen Ressourcen. Einigen mangelt es an Druckern und guten Heimcomputern. Sie können „Homeschooling“ nur erschwert umsetzen. Den Kindern wurden wichtige Bezugspersonen und Tagesstrukturen, wie zum Beispiel ein warmes Mittagessen und ein kindgerechter Alltag, außerhalb des familiären Kontextes genommen. Ebenso haben wir große Sorge, dass familiäre Probleme, Gewalt innerhalb der Familie und Kindeswohlgefährdung während der Ausgangsperren steigen. Dies betrifft allerdings nicht nur Kinder, die von Armut betroffen sind.
In Kooperation mit dem Jugendamt haben wir etwa Kinder in die Notbetreuungsgruppen aufgenommen, wenn akute Kindeswohlgefährdung vorlag. Außerdem mussten sich die Kinder an komplett neue Spielsituationen gewöhnen, da der Mindestabstand zu Beginn der Corona-Pandemie noch sehr streng war. Die Kinder waren traurig, dass sie ihre Freunde und Freundinnen nicht mehr sehen durften und dass sie den wenigen Kindern in der Notbetreuungsgruppe nicht sehr nahekommen durften. Dies war für alle eine große Herausforderung.
Fragen: Nicole Nestler

Die Autorin des Interviews - Nicole Nestler vom Evangelischen Dekanat Wiesbaden - ist Teil einer Initiative, die sich in Wiesbaden gegen Kinder- und Jugendarmut einsetzt.

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